Montag, 12. Oktober 2015

Eintrag O9 - All About That Bass

Ein weniger dunkler Beitrag, versprochen.
Schon allein, weil Dozentin im Science-Tech-Kultur Kurs immer ganz enthusiastisch ist. Thema heute: Übergangsriten in Japan. Wie Lebensereignisse neue Passagen eröffnen. Technikstudenten nicht außer sich vor Begeisterung für Lehrplan, aber ich mag den Kurs. Das japanische Lebensmodell ist keine Zeitleiste, sondern ein Kreis - logique. Von der Geburt bis zur Ehe ist man in einem instabilen Zustand. Ehe rettet das alles und gibt Ruhe. Wenn man stirbt, tritt wieder der instabile Zustand ein. "You're busy as a deceased," scherzt Dozentin. Gut 50 Jahre nach dem Tod feiert die Familie den letzten Erinnerungsdienst, die Trauer vergeht, denn der Tote hat wieder Stabilität gefunden. Manchmal beginnt es nun von Neuem, eine neue Geburt.
Wir reden über die Definition der Ehe, die Rechte unehelich geborener Kinder (waren lange benachteiligt in Japan).
Zum Ende der Vorlesung stellen sich einige Studenten vor. Der Spanier erzählt beherzt von der Lebensqualität in Madrid. Der Franzose von Jeanne d'Arc und seinem Heimatort. Der Japaner zeigt eine Videoaufnahme, denn am Wochenende ist er Bassist in einer Shibuya Street Band. Gegen alle Hindernisse: Verwarnungen durch die Polizei, Mangel an geeigneten Spots, keine Trinkgeld-Kultur in Japan.



Auf dem Weg zum Hauptcampus sieht man erste Botschaften vom Herbst. Lunch in der Mensa. 4 Kurse abgewählt und es fühlt sich gut an. So werde ich zwar nicht mehr über die Kolonialisierung in Südostasien lernen oder japanische Kunstwerke schaffen. Aber dafür fallen späte Abendvorlesungen weg und auch am Montagmorgen muss ich nicht mehr in den Zug gedrückt werden.


Im Marketingkurs stellen Gruppen ihre Rebranding Strategien für ein Schnellrestaurant vor (es möchte mehr Frauen zu seinen Kunden zählen). Neue Promo, angenehmere Atmosphäre, mehr Platz für Einkäufe, gesundheitsbewusste Menüs. Wir sind uns einig. Dozentin erinnert daran, bloß nicht die Stammkundschaft zu verprellen. Wenn die Neuen nicht wiederkommen, wäre man beide Gruppen los. Marke braucht Kernbotschaft, umbrella message, von der alle Entscheidungen ausgehen.
Wie wir mit einer venezuelischen Schokoladenmarke expandieren würden. Viererteams, 30 Minuten. Cross cultural understanding hat nicht so super funktioniert. Wir haben sehr unterschiedliche Verständnisse, wie man an so eine Aufgabe herangeht, Startegien ableitet und die PowerPoint gestaltet. Junger Japaner hat die Aufforderung der Dozentin beherzigt, ruhig aggressiv zu sein. Er redet nicht, er stößt wütende Rufe hervor, wie ein heiserer Oppositionspolitiker im Wahlkampf. Fast brüllt er die Dozentin in der Diskussion an. Auf mich ist er auch sauer, denn er hat während der Präsentation beschlossen, dass wir eine Slide überspringen. Ich halte sie aber für überaus wichtig und lege los. Er schüttelt in Qualen den Kopf. Am Ende ist alles ok, wir bedanken uns für geglückte Zusammenarbeit. Und ich bin der hoffnungslos ignorante Gaijin. (Nachtrag: Junge ist Koreaner.)




Schließlich Gruppentreffen, Vorbereitung einer Präsentation am Donnerstag. Hier ergänzen sich Nationalitäten besser. Jemand schlägt gemeinsames Abendessen vor. Im japanischen Gruppenkultur-Modus sage ich nicht nein. Indisch. Zu Hause erwartet mich eine Postkarte! Aus NYC! Danke Frérot!



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen