Samstag, 24. Oktober 2015

Eintrag O14 - Schokolade und Schikane

Kurzer Rückblick bis Mittwoch: Der Gartenkurs. Prof erklärt, was uns letzte Woche hätte auffallen sollen. Steine im Boden für beste Perspektive. Zickzack-Technik, die das Auge lenkt, sodass man auch nach Stunden der Sicht nicht müde wird. Symmetrie-Linien und 7 Schichten. Jetzt sollen wir noch einmal zum Garten und die großen Steine entschlüsseln. Es habe mit Dreiecken zu tun. Rest der Stunde über Gärten im Nara-Tal während der Heian-Ära gelernt. Die Hauptstadt ist mit jedem neuen Kaiser umgezogen (bis Kyoto dauerhafte Hauptstadt wurde) und die Akistokratie lebte ziemlich isoliert. Schon damals Gärten, sogar mit runden Inseln, die die Küste nachahmten. Poesie sehr beliebt. Begehrenswert war nicht, wer besonders schön war. Dichten musste er/sie können. Oder jedenfalls malen (onna-e bzw. otoke-e). Heute Festivals mit Heian Schauspiel. Auf den angelegten Flüssen werden kleine Sake-Flaschen als Flussenten entlanggeschickt.



Später noch Gruppentreffen am Hiyoshi Campus, Stimmung etwas angespannt. Nicht nur zu Nerds sollte man nett sein.


Am Donnerstag Shio-Kurs. Irgendwann fragt jemand, wie das denn in Japan laufe. Arbeitsteilung, Beförderungen, Einstellungen. Prof findet die Frage zum Totlachen. Japan sei halt besonders. Nein, die Regeln des amerikanischen Lehrbuchs könnten hier keine Anwendung finden.


Kein Kunstkurs heute. Professorin hat uns frei gegeben. Um ins Museum zu gehen und ein Objekt für unseren Essay auszuwählen. In 90 Minuten Frei'stunde' ist das aber ganz unmöglich. Ich muss noch Hausaufgaben beim 7/11 ausdrucken, und feiere mit Mohn-Zitronenkuchen im Café. Happy Birthday Papa!



Präsentation im Kommunikations-Kurs läuft dann ganz gut, wenn auch viel zu lang und kein Audio. Es geht um visuelle Kommunikation in Japan. Traditionelle Kleider und Anpassung an westlichen Business-Stil während der Meiji Restoration, um von Geschäftspartnern ernst genommen zu werden und sich von anderen asiatischen Ländern abzuheben. Und Uniformen wirken sich auf Sprachstil aus. Man wird höflicher. Thema außerdem TV-Werbungen. Vergleichen mit US Pendanten weniger Befehlston, konfliktmeidend (da kanjinshugi, Wert auf Beziehungen), zweideutig (Japaner besitzen awase-Logik und können Bedeutung aus Kontext erschließen), westliche Celebs (die hoffen, in Japan weit genug von zu Hause weg zu sein, damit Image keinen Schaden nimmt), Stereotypen und keine Spots öffentlicher Institutionen (etwa um vor Krankheiten zu warnen, der Realismus wäre für Japaner überwältigend laut Text). Ein Mädchen erzählt, sie habe in einem Kaufhaus gejobbt und vorher eine Einweisung erhalten, wie man vom Äußeren auf die Zahlungskraft des Kunden schließen könne. Ugh.






Am Freitag nur die Sprachkurse. Wochentage, Tageszeiten, Verben. Dinner im Wohnheim mit chinesischen Studenten. Sie sprechen chinesisch. Abends klingelt es. Bis ich mir Jogginghosen übergezogen habe, ist niemand mehr da. Nur ein Zettel an meiner Tür. In roter Schrift und mit vielen Ausrufungszeichen. Ich erfahre von Mitbewohnerin, dass der Zettel mich für falsche Mülltrennung rügt. Ja, ich hatte morgens PET Flaschen und Plastik runtergebracht, gewissenhaft getrennt. Nein, ich möchte nicht, dass jemand meinen Müll durchsucht. Nein, ich möchte nicht auf Schritt und Tritt von kleinen Kameras gefilmt werden. Andere Studentin erzählt, in einem Wohnheim würden Müll-Falschsortierer gepeinigt, indem ihr Foto wall-of-shame-mäßig ausgestellt wird.



Also kein so schöner Abend. Am nächsten Morgen scheint das Unglück ungebrochen, denn mein Schlüssel (bzw. kleine Karte) ist wie vom Erdboden verschluckt. Werde zu spät zum Treffen mit Uni-Freunden kommen. Zu spät ins Lindt Café. Zwischen Bettwäsche, Kleidern, Wandnischen gesucht. Möglichkeit eines nächtlichen Einbruchs in Betracht gezogen. Schlüssel taucht doch noch aus den dunklen Ecken meiner Handtasche auf, muss ihn nach Abfall-Drama gestern dorthin befördert haben.




Nachmittag in Shibuya dafür sehr schön. Lindt Café nicht unbedingt so gediegen und entspannt wie erwartet. Heiße Schokolade trotzdem gut. Dann weiter, etwas Shopping. Ist ok, hoffentlich. Eine Tasche und mehr Socken und ein Halstuch, das eigentlich für Taschen bestimmt ist. Dinner an der Hiyoshi Station, Speghetti, endlich!


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