Dienstag, 6. Oktober 2015

Eintrag O4 - Schöne Neue Welt

Morgens Vorlesung zu Kultur und Technik. Schwerpunkt wieder auf Kultur. Zu Technik eigentlich gar kein Bezug. Dabei Raum voller Maschinenbau-Studenten, die vom Dauerthema Kawaii etwas irritiert sind. Während der Westen die Aristotelsche Definition der Schönheit (Harmonie, Balance) verehrt, sehnt sich Japan nach Miniaturen, "beauty in immaturity." Sogar der Staat mache mit. Maina-Chan ist ein kleiner Hase mit Einsen in Gesicht und Hand. Seit diesem Monat ist er/sie/es das Maskottchen des Sozialversicherungssystems und veranstaltet Promo-Aktionen vor Stadtämtern. Nächstes Thema sind Uni-Feste. Zum Haupt-Campusfest erwarte man jährlich 200.000 Besucher. Ein Höhepunkt dabei sei der Schönheitswettbewerb unter den Studenten, denn den Gewinner erwarte eine Karriere als TV-Moderator! Diesjährige Bewerber des Technik-Campus siehe unten.




Weiter zum großen Campus. Mittagessen mit Lektüre für nächsten Kurs, Unterhaltung mit Studentin aus Dresden. Ein älterer Japaner spricht uns an. Dresden sei seine Lieblingsstadt. Und er habe einmal eine Molkerei in Deutschland besucht. Gerne möchte er mehr berichten. Dresdnerin springt ein, denn ich muss Kommentar zum Orwell-Essay fertigschreiben und abschicken.
Im Marketing Kurs CSR angesprochen. Ein Unternehmen, das soziale Verantwortung über Profit stellt, sei "Disneyland Concept", sagt Dozentin. Und auch um das Vorbild-Unternehmen Japans, Rakuten, dessen ambitionierter CEO zuletzt Englisch als Unternehmenssprache festgelegt hat, stehe es nicht so rosig. Mitarbeiter treffen sich einfach vor offizieller Versammlung, diskutieren auf Japanisch und bejahen (yessen) dann diese Beschlüsse während des Meetings. Stimmung unter den Mitarbeitern eh dahin, fühlen sich unter Druck gesetzt, da TOEIC Progress jährlich gemessen werden soll.


Über Standard-Analysemethoden geflogen. 5Cs, P5F, SWOT ("Bitte nicht! Tunnelblick! Besser TOWS."), PEST ("Veraltet, nicht dynamisch. Muss erweitert werden zu STEEPLE, mit ökologischen und ethischen Faktoren."). Wir wenden Schema auf Yoshinoya an. Eine Art Bistro-Kette mit Beef Bowl Fokus. Wenn man Japan Airline fliegt bekommt man auch so eine Schüssel serviert. Als Ausländer fällt die Analyse schwer. Dozentin verteilt US-Artikel: Yoshinoya beziehe Reis aus Fukushima. Wie viele andere Unternehmen, sei dies Beitrag zum Wiederaufbau der Region. Ist der Verzehr sicher? Wer weiß. Ein Freund sei in die Präfaktur beordert worden, um für einen Konzern Wein anzubauen. Ob er seine Kinder davon trinken lassen würde? Er habe mit dem Kopf geschüttelt. Viele japanische Konsumenten fühlten sich verpflichtet, Fukushima-Lebensmittel zu kaufen. Ein guter Japaner zu sein. Nationalstolz zu zeigen. Allen Studenten wird unwohl bei den Erzählungen.




Heimweg, Stop beim anderen 100 Yen Store, denn ich habe gestern einen Ordner zu wenig gekauft. Das Origami Papier sieht so schön aus, dass ich nicht widerstehen kann. So schwer kann es doch nicht sein?! Vielleicht Lösung für Selbstportrait-Projekt für den Art Workshop. Irgendwie könnte man diese Materialwahl bestimmt begründen? Origami YouTube Videos sind zum Verzweifeln. Es wird doch eine Print Collage. Also verwüste ich den Schreibtisch für den Rest des Abends.


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