Montag, 12. Oktober 2015

Eintrag O8 - Drama in Akihabara

Heute war wieder Feiertag, heißt keine Kurse. Statt aber Tag angemessen mit Sport und gesunder Lebensart zu vertreiben, mit Wohnheim-Exchangees und einigen Japanern nach Akihabara: Elektronikviertel, Anime-Himmel, hoher weirdness-Faktor.
Vorher Lunch in der Nachbarschaft, Reis mit einer Art Gyros.

An dieser Stelle sollte ein Zitat kommen, das ich mal online gelesen habe. In die Richtung "in Tokyo zu sein ist wie Drogen" (es klang weniger hässlich). Zur Feier der Akihabara Premiere. Nicht gefunden. Hoffe, Wohnheimleitung hat im Wifi keine Alarm-Buzzwords aktiviert. "Tokyo like LSD" "Tokyo being high" "Tokyo like drugs quote" klingt schon nach eindeutigen Absichten, oje.

Nachtrag: Anthony Bourdain!
"The first time I came here, it was like -- it was a transformative experience. It was powerful and violent experience. It was as if -- it was just like taking acid for the first time. Meaning what do I do now? I see the whole world in a different way."

Anderer reddit Kommentator schreibt: "Closest city to a pinball machine."




In Akihabara stehen auf den Bürgersteigen Frauen, die kostümiert für Maid Cafés werben. Wir gehen zum Kaufhaus Don Quijote, nach Halloween Verkleidungen suchen. Laden auf vielen Stockwerken, für westliche Augen ziemlich unübersichtlich. Ich erzähle einer Japanerin unserer Gruppe, dass ich mir lieber selbst ein Kostüm zusammenstellen will, ein Minion könnte man ja schon mit gelbem T-Shirt und großer Sonnenbrille sein. Fünf Minuten später verkündet sie den Leuten hinter mir stolz, ein Set zu kaufen sei ja gar nicht kreativ, sie würde stattdessen als Minion gehen. Das war seltsam.





Die oberen Stockwerke der Hochhäuser voller Restaurants, Eingang über Fahrstühle. Wir essen in der "Saizeriya", die auf 800 Quadratmetern Neonlicht und Klimaanlagenwind italienisches Flair zu versprühen versucht. Milcheis mit Maroni auf Focaccia aber sehr lecker.




In einem der Gebäude versteckt sich im Untergeschoss eine Parallelwelt. Die vielen Spielautomaten kreischen schrill und im Hintergrund läuft J-Pop Musik auf Repeat. Es reihen sich Fotokabinen an Fotokabinen, die dir für 400 Yen automatisch den Lidstrich nachziehen und die Lippen röten. Man kann sich dafür auch ein Sailormoon-Kostüm überziehen.




Und es geht weiter und weiter, dieser Stadtteil kennt keine Ruhe. Wir essen die gefüllten Teigfischli (Cremefüllung heute). Auf den Wegen stehen stets die jungen Frauen in Kostümen. Anblick bekommt einen bittere Geschmack, wenn man sieht, wie Geschäftsmänner nach der Arbeit zu ihnen hinunterreden.






Auf dem Rückweg Halt an Station wer-weiß, jedenfalls mit sehr langem Namen. Hier ein Straßenfest. Viertel im "europäischen Stil" mit kleinen Gassen, sogar eine Brücke mit Gondel (Kanal ist 5 cm tief und 15 m lang) davor gibt es. Ciao Venezia. Die Läden tragen französische Namen und ein Lindt Store versorgt das Quartier mit Schoggi. Manche Restaurants sehen sehr geschmackvoll aus, aber wir Studenten, also erhält 500 Yen Pizza den Zuschlag.







Insgesamt Tag mit nachdenklichem Fazit. Frausein in Japan möchte ich nicht. Wieder fast-noch-Teenager-Sein wie meine Begleiter auch nicht. Ewiges Zurschaustellen, verzweifeltes Werben um Aufmerksamkeit, wer-ist-in-wen-verknallt.
Danke, nein.


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