Mittwoch, 30. September 2015

Eintrag S19 - Kurs Shopping

Finale Kurswahl. Sollte eigentlich schon feststehen. Spätestens bis morgen um 11. Kein Stress.
In den letzten zwei Tagen Vorlesungen zu
Technologie & Kultur: Wie prägt kawaii Produktentwicklung in Japan? "Pikachu is a little fat, no? And so strange looking." Wir finden Übersetzungen der Worte cute und beautiful in alle Anwesenden Sprachen; der Italiener unterscheidet nach Kriterium "I'm attracted to it, I'm not attracted to it." Rückweg führt an Kindergarten vorbei. Definitiv kawaii.



Marketing: Japan Gruppenkultur macht es zum Traummarkt für Luxusmarken; heutzutage Emotion, Hoffnung, Erlebnis oder am besten unerreichbaren Traum verkaufen, siehe Starbucks, Kosmetik und Twitter; Makrofaktoren nicht außer Acht lassen wie Mattel, die Barbie's Ken nach Präferenzen kleiner Mädchen entwarfen und dann Beschwerdebriefe von Eltern erhielten, aber reißenden Absatz in der gay community fanden - Ken wurde nicht weiterproduziert;  Einteilung in drei Gruppen: customer, consumer, influencer; Boyfriend App zum Download flüstert dir nachts süße Worte zu - oh Japan...



Japanische Gärten: "Habt ihr schon mein Buch gelesen?," fragt Dozent. Teilt Liste mit schönsten Gärten in der Umgebung aus, einige werden wir gemeinsam besuchen. "Ein Garten hat immer ein Geheimnis, wir werden es lüften!" Bilder wunderschöner persischer Gärten, römische, von Medici bis Getty, Taj Mahal, französische und englische. Oft Wasserlinien gezogen als Ausdruck Reichtum, aus pragmatischen Bewässerungs- und Kühlungsgründen, und damit sich Palast imposant spiegelt. Hohe Bäume Spenden Schatten. Skulpturen senden symbolische und politische Message. Französische Symmetrie durch englische Gärten abgelöst, wieder natürlicher. Japanische Gärten bleiben erst einmal unerwähnt.











Buddhismus und sozialer Wandel: Was ist eine Religion? Glaube oder Praxis? Muss der Nachleben-Gedanke vorliegen? Intro zum Buddhismus. Nirvana beendet unser unentwegtes Streben nach mehr (Dukkha). Ziel ist es, ohne Körper wiedergeboren zu werden, als Spirit, oder - wie Dalai Lama - trotz Erleuchtung immer wieder zurückzukommen, um anderen zu helfen. Das Selbst tritt in den Hintergrund, "John" wird nicht als "John" wiedergeboren. Keine Gewähr auf diese Zusammenfassung. Dozent bietet wöchentliche Meditationsstunde an.


Kolonialisierung in der Literatur: Memoiren, Romane, Essays füllen die Lücken, die historische Archive nicht zu greifen vermögen. Dozentin hat umfassende Sammlung von Werken erstellt, die menschliche Komponente der Begegnungen zeigt. Wo liegt die Prosa richtig, wo falsch?



Beim Lunch hatte sich gestern ein Japaner zu mir gesellt. Er wolle Englisch üben. Ok. Heute setze ich mich zum Mittagessen an den Tisch zweier Exchangees. Begeistert waren sie davon nicht. Noch weniger, als dann noch der Japaner von gestern mit Freundin dazukam. Die Exchangees beenden ihr Essen vorzeitig und die Japaner sind über mein defizitäres internationales Netzwerk enttäuscht. Keine Abmachung für erneutes Treffen.


Auf Heimweg belgische heiße Schokolade gekauft. Beruhigend. Im Wohnheim kann man etwas gewinnen, wenn man das Gewicht eines Kürbisses (Plastik gefüllt, duh) richtig schätzt.


Montag, 28. September 2015

Eintrag S18 - Business und Burger

Die Woche beginnt früh. Erster Kurs um 9 bedeutet aufstehen um 7. Hat es sich gelohnt? Nun. Beim Kurs geht es ums Konsumentenverhalten. Interessant, da spezifische Beispiele aus Japan genannt werden. Nur leidet man mit Dozentin, die offensichtlich einiges lieber tun würde, als diesen Kurs auf Englisch zu unterrichten. Mit ihr hangelt man sich von Wort zu Wort des Kursmerkzettels. Leicht absurd scheint die Absicht, mündliche Mitarbeit zu kontrollieren, indem jede zu Wort kommende Meldung mit einem Papierstreifen belohnt wird, auf den der Student Namen und Meldeanzahl notiert. Die Zettel muss man am Ende der Stunde vorne einreichen, In der Praxis stoppt die Vorlesung also nach jedem (jedem! Quantität siegt) Beitrag und die Dozentin durchquert den Saal von A nach B nach C.

In der Mensa gegessen. Soba, Nudeln. An einem Brett sind Fotos aller Nudelgerichte abgebildet. Dann muss man nur noch das entsprechende Kärtchen (Sorte, Größe) ziehen und es an der Küche abgeben. Da alles auf Japanisch, fühlt es sich an wie ein Glücksspiel. Heute hatte ich Glück. Ich kann nicht genau sagen, was ich gegessen habe, es war der Überraschungsgewinn.


Zum Wohnheim und eine Stunde Schlaf nachgeholt. Was noch müder macht. Aber ich muss zurück zum Campus, Kurse ausprobieren kann man nur ein Mal. Jetzt über japanisches Kino. Ein leicht exzentrischer Brite hat für jede Woche einen Film ausgesucht, zu dem ein Filmtagebuch geschrieben werden muss. Man werde "more literate" in der Filmsprache und müsse nicht länger mit Pauschalformeln "schöner Film", "Happy End", "schöner Schauspieler" vorliebnehmen. Mich schreckt Teilnahme-Sheet ab, auf dem man unter anderem ein Ranking seiner Lieblingsfilme teilen soll, mit Begründung. Das ist mir unangenehm. Entweder googelt jeder schnell die Top-10-imdb-best-Movies-ever, oder die Leute sind wirklich so selbstbewusst in ihrem eigenen Filmgeschmack, diesen freudig  vor einem Film-Akademiker offenlegen und rechtfertigen zu wollen.
Für simultan stattfindenden Kurs über Japans historische Beziehungen zu Europa bin ich nun zu spät dran.
Schließlich letzte Vorlesung. Ein deutscher Professor referiert zu Globalisierung japanischer Unternehmen. Zur Frage "Was ist überhaupt Business?" werden irrsinnig viele Antworten gesammelt. Das ist eine meiner Schwächen, ab einem gewissen Punkt werde ich ungeduldig und finde alle weiteren Meldungen der Kommilitonen nur noch wahnsinnig verträumt oder narzisstisch motiviert. Gelernt, dass McDo (hier genannt MacDonaldu oder MacuDu) erste Japan Filiale im Food-Mekka Mitsukoshi Ginza eröffnete - if I can make it here, I can make it anywhere! Sie konnten. Bewusst auf Japanisierung verzichtet, abgesehen vom Teriyaki Burger, ok.


Zurück Richtung Yokohama, Saft und Chips.

Sonntag, 27. September 2015

Eintrag S17 - Ein Teller Okonomiyaki

Der Sonntagabend
Immer so ungeduldig
Und schnell vergangen

Den Samstag vorbildlich zwischen Bett und 100 Yen Shop aufgeteilt. Kleine Mount Fuji Teller gekauft, Hello Kitty Löffel für meinen Joghurt, einen Terminplaner, einen Teekrug. Abendessen im Wohnheim ist japanisches Curry. Asiatinnen amüsiert über meinen Reisappetit.


Am Sonntag Lunch mit indischem Studenten. Das Restaurant "Bombay" finde ich in der Metrostation weder alleine noch mit seiner Hilfe. Also entscheiden wir uns für Pizza. Sie ist hier meist sehr dünn und relativ teuer. Inder an VW Skandal interessiert, prophezeit Untergang deutscher Qualitätsreputation. Ist überzeugt, dass Skandal Verschulden von Middle Managers, die leichte Lösung auf Druck von oben gesucht hatten. Nächstes Thema Flüchtlingskrise. Deutschland sei doch ein Nachbarland Syriens? Also müsse man helfen? Nicht ganz. Bummeln im Kaufhaus an Yurakucho Station.



Weiter (wieder) nach Asakusa, um Keio Tomodachi zu treffen. Sensō-ji Tempel schon geschlossen, aber Brunnen (zur Mund- und Handreinigung, jetzt ohne Schöpfkellen) und Kessel voller Räucherstäbchen (nicht unangenehm, man wedelt Rauch auf hilfsbedürftige Körperteile, eine Seniorin klopft hart an ihr Knie; Tomodachi sagt, im Zweifel einfach an den Kopf fächern) noch zugänglich. Wir essen ausgezeichnete Asakusa Ice Cream Sandwiches in Geschmacksrichtugen Sojabohnenpulver oder schwarzer Sesam, finden einen Laden, der ausschließlich Food Samples verkauft sowie einen für Hunde-Accessoires, überqueren Sumida-River-Brücken mit imposanter Sicht auf Tokyo Skytree und Asahi Beer Hall Flamme (Philippe Starck). Spaziergang in Dunkelheit am verlassenen Flussufer ist Selbstverständlichkeit, keine Sichrheitsbedenken in Tokyo.
















Okonomiyaki und Monjayaki zum Dinner. Man sitzt um eine große Herdplatte, auf der jeder sein Gericht zubereitet. Sehr vergnügsam und lecker. Füße und Waden schlafen von Zeit zu Zeit ein.





Heute ist der letzte Tag des Chinesischen Mondfests. Eine Tomodachi ist Chinesin und zeigt Fotos von Mondkuchen. Japanerinnen erzählen vom Mond-'Labbit' (R): Das Häschen wird für Bereitschaft zum Opfertod mit Leben auf dem Mond belohnt. Rabbit auch in weiterer japanischer Folklore beliebtes Motiv.



Donnerstag, 24. September 2015

Eintrag S16 - Uni Uni

Heute ist Freitag, der zweite offizielle Uni Tag. Gestern verschiedene Kurse angeguckt und nach 12 Stunden zum "Italian Burger" Dinner (es war eine Frikadelle mit Tomatensauce. Japaner verblüfft, dass ich mir dazu keinen Reis genommen habe.) ins Wohnheim zurückgekehrt.
Die Dozenten scheinen alle sehr engagiert für ihre Kurse. Einige reagieren auf überfüllte Räume (man ist noch nicht verpflichtet, Kurse nach erster Unterrichtseinheit zu nehmen, deshalb im Moment unverbindliches "course (s)hopping") mit Strenge ("And if you don't think so, ok, please, go away!"), andere sehen die zwischen den kleinen Holztischen zusammengepferchten Ausländer mit Humor. In einem Kurs schwärmt der Prof vom Shio: "The Shio does not have time to make all decisions. The Shio decides who is in charge of a problem." Vielleicht ein wichtiger japanischer Geschäftsmann? Es ist der CEO. Im Kurs Art Workshop sollten wir dann anfangen, an einem Selbstportrait zu arbeiten. Ich habe die Ahnung, meine gruseligen Zeichenversuche nicht für den Rest des Semesters unter dem Kurskatalog verstecken zu können. Kurswahl ggf. überdenken.



Heute Morgen im schwarzen Anzugsmeer zum Campus gefahren. Ja, am Bahnsteig standen Männer in Uniform und weißen Handschuhen. Bereit, dafür zu sorgen, dass auch du noch in den Waggon passt. Ich hatte mich auf ein Wunder verlassen, die Raumnummer irgendwie nebenbei während der Fahrt oder bei Ankunft zu ermitteln. Auf das Wunder warte ich noch, Raumnummer bleibt Mysterium. Also beschlossen, stattdessen einen anderen Kurs auszuprobieren. Im Saal ausschließlich Japaner. Denn mein Kurs ist samstags. Gut. Also warte ich.



Kurs zu Gesellschaft und Unternehmen Japans. Dozent geht auf Statistiken ein. Demographie wird bald ein großes V formen und um ein Viertel geschrumpft sein. Keine Bodenschätze. Dafür Vulkane. Und Taifune. Erdbeben. Das nächste große Beben sei jederzeit zu erwarten. In welchem Stock wir gerade seien. Oh, der zweite, das sei nicht gut. Wären wir im sechsten, hätten wir bessere Chancen. Das Gebäude würde schwanken. Das sei beängstigend, ja, aber wir würden vielleicht auch den Tsunami überleben. "Welcome to Japan", heißt die Folie.
Es wird Abend. Noch einen Kurs gilt es auszuprobieren. Dozent spricht wie Shakespeare Darsteller, inkl. britischem Akzent. Wir reden über Globalisierung, den Economist, die konservative Jobsuche junger Japaner, Japans Reis-Einfuhrsteuer von 700%.